Montag, 23. Januar 2017

Der Stoff, der aus uns Helden macht!

"Ärzte behaupten, im zunehmenden Alter schwindet das Testosteron... ich sage, da wird es überhaupt erst beherrschbar! 
In diesem Sinne kaperten ein Freund und ich zum letzten Jahresende hin zwei Kampfschiffe der Extraklasse, die - auch nicht mehr ganz jung - richtige Männerherzen höher schlagen lassen!"
Keine lange Rede, hier der Fahrbericht:

Test-o-steron on wheels

November 2016

Dicht über dem rauen Asphalt fixiere ich den Scheitelpunkt der letzten Kehre an. Runter schalten, einkuppeln, anbremsen.
Hinter mir brüllt das Triebwerk auf. Ich beginne den GT in die immer enger werdende Linkskurve einzulenken.
Das Fahrwerk neigt sich keinen Millimeter. Sofort befeure ich den 5,4l Kompressor-V8 mit einem sachte eingeleiteten Schub Normalbenzin. Katapultartig schiebt es das Gefährt aus der Kehre in die ansteigende Gerade und uns in die Schalensitze. Nach drei Sekunden setze ich den Blinker, trete heftig in die Bremsen und stoppe den Ford aprupt auf dem Parkplatz der Sellajoch-Passhöhe.
Ich drehe am Zündschlüssel, das Dröhnen verstummt. Mein Herz rast. Langsam lösen sich meine feuchten Hände von der Umklammerung des kleinen Lenkrades. Alles ist so schnell gegangen! Mein Blick ist immer noch über die Karbonhaube gerichtet, aus deren großen Lüftungsschächten nun die erhitzte Luft nach oben strömt und flimmernd das sich vor mir ausbreitende Panorama der schneebedeckten Gipfel verzerrt. So muss sich Armstrong bei der ersten Mondlandung gefühlt haben!
An einem spätherbstlichen Sonntag hat sich ein Jugendtraum für mich erfüllt: "Ein mal mit einem Porsche 911 über Kehren-reiche Pass-Straßen heizen." Eigentlich schon Grund zum Jubel ohne Ende!
Aber dieses Erlebnis war um so spektakulärer, da sich mir kurzerhand ein Freund angeschlossen hat, der mit seinem  Ford GT ebenfalls "eine Ausfahrt" in die Berge, genauer gesagt, nach Süd-Tirol, unternehmen wollte.
So ergab sich zwar ein etwas ungleiches Paar, aber das machte die Sache um so spannender. Retro gegen Fast-Moderne, brachiale Heckantrieb-Power gegen High-Tec-Vierradantrieb, Ford gegen Porsche.

An einem wunderschönen Sonntag Morgen...


06:30 Uhr:
Noch mit Winterreifen bestückt nähere ich mich bei strömenden Regen, lächelnd und so zurückhaltend, wie es geht, in der Morgendämmerung der Landeshauptstadt mit 150 Sachen. Ich sitze am Steuer eines roten Porsche Carrera 4S, endlich. An meiner Seite sitzt ein Freund und Photograph, um dieses Erlebnis auch noch meinen Enkelkindern
dokumentieren zu können. Dieser Tag gehört uns.

07:00 Uhr
Direkt an der Einfahrt zur Garmischer Autobahn ist unser Treffpunkt.
Aus dem grauen Mix aus Regen und dunklen Wolken strahlt der weiße Lack eines Ford GT, alle Blicke auf sich ziehend, quer über die Kreuzung. Die blauen Racing-Streifen bestätigen die Vermutung der fixierten Beobachter, als der Motor das Geschoss brüllend in Fahrt bringt. Dieser Tag wird schön!
ca: 09:00 Uhr
Unsere Tanks sind voll, die alte Brennerstraße noch leer, das Wetter aufklarend und der Teer zunehmend trocken. Unter der Europabrücke hallt der Schall kräftestrozender PS-Boliden. Auf dieser optimalen
Piste mit ihren zahlreichen, engen Kurven nähern wir uns den Möglichkeiten unserer Fahrzeuge. Dieses "rantasten" macht höllischen Spaß, zumal ich vor der Zweiten Auffahrt den simplen Knopf "Sport" in der unteren Amatur des Stuttgarters gedrückt habe.
Was für ein Unterschied!
Grund genug, um gleich auf dem Brenner  zu einem Latte Machiatto einzukehren und Fach-zu-simpeln.
Erstes Resüme:
Der Vierrad-Porsche schiebt bei sehr engen und schnell gefahrenen Kurven über die Vorderachse und erfordert ein, teils kräftiges Gegensteuern. Dies liegt wohl aber auch zum Teil an den, zwar breiten aber dennoch weicheren Winterreifen.
Er gibt einem aber stets das Gefühl, alles unter Kontrolle zu behalten. Ich bin erstaunt, wie leicht der Porsche zu fahren und zu handeln ist. Die Keramik-Bremsen sind genial und das Leistungs-Spektrum des sechs-Zylinders enorm und (fast unspektakulär) gleichmäßig. Unpraktisch wirkt nur (zumindest bei meiner Körpergröße von 198cm) das große Lenkrad. Zudem war es für uns notwendig, die Fenster zu öffnen, um unseren Boxer auch akustisch genießen zu können. Dies wiederum lag zum Teil aber an dem vor uns donnernden V8 des GT.
Da zumindest sind die 3,8l des Porsche's gegenüber der 5,4l V-8-Engine des Ford's schon mal unterlegen – abgesehen von den 200 PS, die uns sonst noch trennen.
Dafür bricht der Ford bei harter Beschleunigung aus engen Kurven hinten schon mal aus der Spur.
Hier ist wirklich Feingefühl gefragt... und am Besten natürlich ein wirklich trockener Untergrund.
Doch noch trennt sich nicht die Spreu vom Weizen.
Wir grinsen alle über beide Ohren und genießen es.
10:30 Uhr
Pünktlich, beim anlassen der Motoren auf italienischer Seite, begrüßen uns die ersten Sonnenstrahlen. Über die alte Brennerstraße steuern wir unsere Route von München in die Süd-Tiroler Alpen an, die uns an diesem wunderschönen Tag über eine Vielzahl von Bergstraßen und Pässen führen wird. Die Fahrbahnbeschaffenheit lässt uns spüren, dass wir in hart gefederten Sportfahrzeugen platz genommen haben. Oder ist es das Herz, das uns in aller Vorfreude auf das Sella-, Grödner- und Pordoj-Joch immer wieder in den Sitzen aufstößt?
12:30 UhrGestärkt treten wir in die Pedale. Der ungewöhnlich geringe Verkehr kommt dem Fahrspass extrem zu Gute. Von nun ab geht es auf und ab, Kurve um Kurve, beschleunigen und abbremsen.
Ab und zu unterbrechen wir das Programm zu Gunsten eines "Gipfel-Cappuchino's" oder für eine weitere Photosession. Tapfer verfolgt der Carrera die Ausbruch-Versuche des GT's und überzeugt durch sein bestechend einfaches Handling. Im oberen Drehzahlbereich teilt sich auch der, im verborgenen plazierte Turbo lautstark seiner Umwelt mit. Nächster Tunnel, wir kommen!
Bald schon fühlen wir uns in unserem roten Flitzer zu Hause und eine gewisse Vertrautheit macht sich breit. Lediglich die ersten zwei Gänge haken manchmal ein wenig, wenn sie bei rasanter Beschleunigung schnell gewechselt werden sollen. Die phantastisch dosierbare Bremse zeigt zu keinem Zeitpunkt einen Anflug von Schwäche. Auch die Betriebstemperatur des Motors bleibt bei dieser straffen Anforderung unberührt. Der Spaß hat kein Ende.

Eine Spur extremer wallt das Blut des Piloten im Cockpit eines Ford GT durch die Adern. Jedes Detail, des auf 1500 Stück limitierten Rennwagens aus Detroit/USA, erinnert an eine große Erfolgs-Ära auf internationalen Rennstrecken in den 60ern. Retro, wohin das Auge schaut. Allein die Türen mit dem Dachausschnitt erheben den Ford zu etwas ganz "Besonderem". 
Unverblümt gibt die beheitzbare Heckscheibe die Sicht auf den mächtigen Motorblock im Heck frei. Obenauf trohnt der langgezogene Kompressor. Die Achsschenkel sind in einem Stück aus einem Aluminium-Block gefräst. Das Rahmenheck besteht aus einer Alu-Vierkanntrohr-Konstruktion und die komplett hochklappbare Haube ist aus Kohlefaser gearbeitet.
Vor der kleinen Trennscheibe zum Motorraum befindet sich der stilistisch faszinierende Fahrerraum. Zwischen den Sitzen ragt ein mächtiger Sub-woofer empor, dessen zweckmäßige Bestimmung keine Wünsche offen lässt. Eine breite Mittelkonsohle trennt Pilot und Copilot. Vor dem Fahrer bestechen zahlreiche Armaturen, dominiert von dem zentral angebrachten Drehzahlmesser.
Originalität punktete bei diesem Design klar vor praktischem Übersichtlichkeits- und Ordnungs-Fimmel. Sobald der Fahrer hinter dem kleinen, griffigen Lenkrad in den Schalensitzen des GT seinen Platz einnimmt, hebt sich der Adrenalin-Spiegel. Der Wagen umgibt einem wie eine Raumkapsel.
Per Knopfdruck folgt dann die Zündung des Aggregates und alle Sinne sind geschärft. Der Wagen will mit etwas Gas angefahren werden, was die sanfte Kupplung hervorragend unterstützt.
Das Gaspedal spricht sehr direkt an und auch die Servolenkung erfüllt Ihren Job präzise. Die nur zehn Zentimeter breitere Karosse des GT's wirkt im Vergleich zum Carrera viel stärker dimensioniert.
Die Rundum-Übersicht ist aber Konstruktionsbedingt erheblich beeinträchtigt. 
Im Stand und bei langsamerer Fahrt flimmert die heiße Luft vor der Windschutzscheibe, die aus den gewaltigen Kühlerschächten am Fahrzeugbug per Ventilatoren ausgestoßen wird. Sobald die Strassen etwas enger werden und dicht aufeinander folgende Kurven und Kehren den Fahrspass ins unermessliche katapultieren, ist 100%ige Konzentration gefordert, was feuchte Handflächen schnell belegen. Der brachiale Sound jedenfalls hallt einem noch lange im Ohr nach, auch wenn man schon längst das Cockpit wieder verlassen hat.

19:00 Uhr
Nach ausgiebigem Kurvenheitzen  in den Bergen steht uns nun der letzte Abschnitt unserer Tagestour bevor. Die jetzt trockene, an diesem Tag zum Glück wenig befahrene Autobahn Garmisch – München.
O.K., ehrlich gesagt haben wir den GT aus dem Cockpit des Carreras nicht mehr lange gesehen und noch nie war die Autobahn auch so kurvenreich wie Heute! Die im Brief angegebenen 288 km/h waren natürlich aufgrund der Winterreifen (Limit 240km/h) ja auch nicht zu realisieren. (meistens zumindest ;0)
Zudem ist es ja auch schon dunkel geworden. Mein Freund und Ford-Pilot hat mir dann in München auch gestanden, dass auch er erst seit knapp zwei Minuten mit dem GT in der Parklücke steht. Immerhin. ;0)
Im Vergleich:
            Porsche Carrera 4S          Ford GT
Hubraum                    3824cm3          5409cm3
Leistung                     261 KW            404 KW
                        bei 6600U/min            6500 U/min
Max. Speed             288 Km/H          305 Km/H
(Herstellerangabe, Laut GPS-Tacho 330km/h)
Leergewicht               1550 kg          1510 kg
Max. Gewicht            1875 kg           1768 kg
Länge                         443cm            464cm
Breite                          185cm            195cm
Höhe                          131cm            112cm
Bereifung
vorne                          235                 235
hinten                     295/305            315
Preis 2005:        ca. 90.000,       ca. 200.000,-

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