Vom Hirnschiss zum Wadenkrampf...
Nachdenken darf man bei solchen Extrem-Events ja eh nicht wirklich und das Kleingedruckte am Besten auch nicht vor der Zusage und der Auszahlung des Startgeldes lesen.München – Mittenwald ... ok?!
100 Kilometer in 24 Stunden – aha...
Ich klammere mich an die Leistung vor ein paar Wochen, die 320km Jakobsweg in 7 Tagen absolviert zu haben, blende den dicken Knöchel nach der letzten Tagestour von 55km aber besser mal aus - und den Unterzucker zum Schluss, und die verkrampften Waden und die brennenden Fusssohlen...
Also etwas weniger als das Doppelte der Strecke – in 24 Stunden.
Nicht nachdenken. Einfach nicht darüber nachdenken!
Ich muss ja nicht ankommen, wenn der Spaß aufhört, ist Ende – übertriebener Ehrgeiz ist keine Option für mich.
... hier nun also mein Bericht und danach natürlich auch der Link zu meiner gefilmten Dokumentation des Megamarsches.
Ohne Countdown und so...
Ich komme an und schon beginnen sich die Massen, angefeuert von Samba-Trommeln, in Bewegung zu setzen – und ich gleich mit ihnen.Es ist Samstag, 16:15 Uhr.
Wandern auf Traum-Pfaden. |
Kurze Dialoge aufmunternder Art, gegenseitige Fragen, gutgemeinte Mut-Parolen und nette, flüchtige Kommentare untereinander beflügeln das "Miteinander" ;0)
Ein langes Band bunter Menschen zieht sich an den Isarauen entlang durch frisches Grün und bei milden Temperaturen. Die Sonne glitzert im Wasser und manche unterhalten sich ausgelassen, andere gehen die Strecke schweigend und in sich vertieft.
Die erste Station "zum rasten und Auftanken" war kurz vor Wolfratshausen. Ich schnappte mir 2 Bananen, einen Riegel und füllte meine Flaschen wieder auf, dann ging es auch gleich weiter.
Kurz nach der Isar-Brücke - fail...
1. Station, Zeit zum "Nachtanken". |
("da gehen so viele... kann ja nichts passieren" ;0) lief gleich mal mangels orientierungsverlässlichem Frontman direkt nach Wolfratshausen rein...
Gut, ich kenne mich hier in der Gegend zwar aus und traf die Anderen dann auch wieder, nachdem ich schließlich eine ganze Weile am Loisach-Kanal Stadtauswärts unterwegs war.
Das hat mir aber auch ein paar Extra-Kilometer beschert.
Die Dunkelheit setzte ein und rückwärts gewandte Blicke boten immer wieder das Bild einer wandernden Stirnlampen-Lichterkette. Schön ;0)
Am Himmel glitzerten immer mehr Sterne, in der Ferne Wetterleuchten und lange schon vor Beuerberg bestimmte der Takt einer Mega-Techno-Party den Rhytmus meiner Schritte.
Dann ein dumpfes "Wums" hinter mir.
Ein etwa 70 Jährigem stürzte mit seinem unbeleuchteten Fahrrad direkt hinter mir in den tiefen Graben neben dem Weg. Zum Glück nichts passiert!
Aber die "Rescue-Gruppe" der Wanderer an Ort und Stelle formierte sich daraufhin zu einem 8-Köpfigen Wanderteam, dass sich trotz mehrfacher Karten und GPS-Fachleuten... verlaufen hat.
An dieser Stelle sein Angebracht: Liebes Mega-Marsch-Team,
an der Streckenmarkierung und Wegführung ist noch viel Luft nach oben!!!
Nach geraumer Zeit, der Mond war inzwischen aufgegangen, stießen wir wieder auf die vorgesehene Route, hatten aber die Versorgung-Station 2 verpasst. Meine Reserven im Rucksack waren reichlich, die der Anderen zum Glück auch. So marschierten wir weiter. Durch diese kleine Wegverkürzung war mein Kilometerpensum also wieder zur Strecke im Lot.
Auf dem Damm neben der Loisach splittete sich das Team dann auf. Schuld war der Wirt einer Pizzeria, der uns um eine Minute nach 0 Uhr keine Bier mehr ausschenken wollte. Während Einige sich Leitungswasser bringen ließen, machte ich mich wieder auf den Weg - es ging nach ersten Knie- und Oberschenkelstechen gerade wieder so gut.
Haha, aber Markierungen waren ja fehl am Platz. So führte mich der vermeintliche Weg zuerst in eine Sackgasse, die ich über eine Sumpfwiese weiter marschierend schlichtweg ignorierte.
Danach erklomm und überquerte ich aber auch noch die Penzberger Halde.
Mir war schon klar, dass ich wieder einmal daneben gelegen habe, aber ich wußte ja, dass der Weg über Penzberg weiter nach Benediktbeuern führte.
"Stets vorwärts" war meine Devise, "und nie zurück"!
Also, kleine nächtliche Stadtbesichtigung und rüber zum Radweg nach Bichl - und da war sie dann auch wieder, die Lichterkette.
"Die Nacht war dunkel, der Mond schien hell... ;0)" |
Was für ein Glück, nach all den letzten Wettervorhersagen!
Ich folgte einem Paar, dass nach GPS ging, aber in Bichl auf der Suche nach dem richtigen Weg kehrt machte. Die Lichter von Benediktbeuern waren aber schon zu sehen und so ging ich abermals alleine weiter.
Vor Benediktbeuern erinnerte ich mich an einen schönen Radweg entlang der Loisach und bog rechts auf einen Feldweg, um Kloster und Ortschaft westlich zu umgehen.
Um 2 Uhr begann es dann zu nieseln und weit und breit keine Stirnlampe mehr in Sicht.
Tendenziell war ich richtig, aber wie weit der Umweg diesmal werden würde... An einer Wegkreuzung begann um 3 Uhr dann der Wolkenbruch.
Also Regenjacke raus und weiter.
Nach abermals geraumer Zeit querten vor mir Stirnlampen von links nach rechts. (???)
Ok, nun keine Experimente mehr, das Wetter schreit nicht nach weiteren Sondereinheiten!!!
Ich überholte einige der Wanderer auf nassem Gras und der schmale Pfad führte durch Schlamm und Pfützen. Ich hielt mich dann hinter dem ersten dieser Gruppe, bis der Weg nach Kochel klar ersichtlich war.
In der Ortsmitte dann der 3. Stützpunkt, zum Glück in einem Gasthaus. Es war jetzt 4:15 Uhr.
Hier war es warm und trocken und man konnte sich seiner nassen Klamotten entledigen und wechseln, nachdenken und resümieren.
Ich hatte je eine große Blase zwischen den vorderen Ballen bekommen (!), die beim barfuß auftreten arg schmerzten. Hatte ich auch noch nie.
Ich trank 2 Café und stopfte mich mit Milchbrötchen und Bananen voll.
Blitzgedanke und Entscheidung
Dann las jemand die Prognose vom Wetterradar vor: "Durchgehender Regen bis 12 Uhr Mittags..."Dann ein Kommentar: "Der erste Zug geht um 5 Uhr 5", jetzt war es zehn Minuten vor fünf.
Einige der Leute dort brachen hier ab, nach 65 Kilometer, machten sich auf den Weg zum nahegelegenen Bahnhof.
Auch ich überlegte mir, ob ich wirklich noch weitere 35 Kilometer im Regen gehen möchte? Wofür?
Man muss es ja nicht erzwingen!
"Nein, Abbruch, jetzt!"
Also trockene Klamotten an, alles andere in den Rucksack stopfen und ab zum Bahnhof.
Ich ging aus der Gaststätte und...
der Morgen dämmerte, die Vögel zwitscherten und es regnete nicht mehr.
An der Kreuzung sprach ich zwei vorbeiwandernde an, der Stützpunkt sei da hinten und Sie erwiderten nur: "Nö, nö, wir gehen gleich weiter."
Auf dem Urfeld-Pass ;0) |
"Egal, jetzt bist Du schon hier, das Wetter sieht besser aus als gedacht - wird schon klappen!"
Von nun an gab es kein Zurück mehr, das wußte ich.
Also stieg ich mit dem Tiroler Michael und dem Stuttgarter Peter hoch zum Urfeld-Paß. Nach einer relativ kurzen und schönen Strecke überquerten wir den Kesselberg rüber zum Walchensee.
Teilweise blauer Himmel, das Wolkenbad zerreiß zusehens und die Berge vor uns in frischem Weiß. Ein toller Anblick!
Morgenstimmung am Walkende |
Der Weg entlang des Ufers zog sich eine Weile dahin ("komisch, mit dem Motorrad geht das immer ratz-fatz!") und als wir das Wikingerdorf und darauf auch bald die 4. Station in der Feuerwehr-Wache erreichten, schien die Sonne mit voller Kraft auf dieses phantastische Panorama rund um den See - und wir mitten drin ;0)
Entgegen jeder Wettervorhersage - Einfach Traumhaft! |
Toilette, ein Café, eine Wurstsemmel, Banane, Riegel... und weiter geht es, bevor es "zu gemütlich" wird.
Nun waren wir zu Viert, die mehr oder weniger lose beisammen den weiteren Weg in Angriff nahmen. 23 Kilometer sollen es noch sein - und Zeit hatten wir ja genug dafür.
Also keine Eile - obwohl... wir waren alle schon so in unserem Tempo eingelaufen und wollten diese Tour jetzt auch nicht noch unnötig in die Länge ziehen.
Der grobe Schotter auf den Wald-Wegen vor Wallgau betäubte meine Sohlen schon fast uns so ging es nun schon wieder besser. Den Hügel in der Ortschaft dann hinab fauchten meine Oberschenkel auch ganz schön. So eierte ich Kilometer um Kilometer weiter.
Das Ziel so nah - und doch so fern... |
Krün war erreicht und es war nun keine Frage mehr ob, sondern nur noch in welcher Verfassung wir das Ziel erreichen, Und die Zeit war sensationell, unglaublich! Und das nur, weil immer Einer dann weiterging, wenn ein Anderer über eine Pause nachgedacht hatte.
Der Weg nach "Abfahrt" Mittenwald zog sich wie ein Gummiband, aber die letzten 3 Kilometer vorbei an der Kaserne und dann bis endlich mal ins Zentrum und ans Ziel am Bahnhof zu gelangen... war ein kleines Martyrium.
Und dann war es so weit! Punkt 12Uhr!!!
Nach 19 Stunden und 45 Minuten am Ziel - ich hätte das nie für möglich gehalten.
"Wow ;0)".
190 innerhalb der 24h.
Gratulation und Gruß an Alle Beteiligten und das Team vom Megamarsch.
Es war eine besondere Erfahrung und Auslöser für phantastisches, kleines Abenteuer ;0)
Jetzt auf Youtube gestellt:
Bullshit Revolte!!!
Euer Tom
Kleine Bilder-Galerie:
super geschrieben deine eindrücke vom Marsch,beim Foto hatte ich wohl einen kurzeeen Tiefpunkt.grins
AntwortenLöschenHey Tom, fantastically written loved it, though didn't understand all of it.
AntwortenLöschenDude, you did it, I'm happy for you :). I clocked 22hrs 37mins.
Cheers
Sunny